Streckengebundene Fahrzeugdiagnose
Digitalisierung und Predictive Maintenance
Erhebung von Zustandsdaten
Im Zusammenspiel von Fahrzeug und Fahrweg gibt es verschiedene Möglichkeiten, Assets zu monitoren. So überwachen heute bereits Fahrzeuge, z.B. in Form von Messzügen, die Infrastruktur. Gleichzeitig kann die Infrastruktur durch spezielle Sensoren, z.B. in Weichenantrieben, sich selbst überwachen. Auch Fahrzeuge überwachen sich mit Hilfe von On-board-Diagnostik häufig schon selbst. Weniger bekannt ist die Überwachung von Fahrzeugen durch die Infrastruktur. Die streckengebundene Fahrzeugdiagnose, ist aber ein effektives und kostengünstiges Instrument, um seine Flotte zu monitoren. Bei der streckengebundenen Fahrzeugdiagnose werden Messanlagen im Gleisbereich installiert, die mit Hilfe unterschiedlicher Sensoren und Messtechnologien vorbeifahrende Züge diagnostizieren können. Im Gegensatz zur im Fahrzeug fest verbauten Messtechnologie (On-board-Diagnostik) kann so mit wenigen, strategisch gut gewählten Messpunkten oft die ganze Flotte im operativen Betrieb überwacht werden. In der Regel zielt die streckengebundene Fahrzeugdiagnose zudem auf außenliegende Bauteile, die mit Onboard-Diagnostik nur schwer oder gar nicht erfasst werden können.
Viele kritische Komponenten können so überwacht werden. Hierzu gehören u.a. die Radsätze eines Fahrzeugs. Radkraftdiagnoseanlagen ermitteln z.B. unrunde Räder, Flachstellen und schlingernde Drehgestelle. Es ist technisch zudem leicht möglich, die Querprofile der Räder und Bremsscheiben zu erfassen und alle relevanten Messparameter und somit Profil, Zustand und Verschleiß zu ermitteln. Achsfehlstellungen – häufig die Ursache für viele Verschleißfaktoren am Fahrgestell – oder der Zustand von Bremssohlen können mit speziellen Einrichtungen automatisch ermittelt und gemeldet werden. Hierzu werden laser-basierte und optische Verfahren verwendet. Kamerasysteme detektieren zudem Defekte an der Fahrzeughülle, erkennen den Verschmutzungsgrad oder melden mit Graffiti besprühte Fahrzeuge. Optische Verfahren sind insbesondere dort interessant, wo Inspektionen nur schwer und aufwändig durchführbar sind. Dies gilt insbesondere für die Fahrzeugunterseite, Wagendächer und dort verbaute Komponenten sowie Stromabnehmer. So kann z.B. die Restdicke des Kohlestreifens der Schleifleiste automatisch ermittelt werden. Akustische Sensoren erkennen an den Radsatzlagern der vorbeifahrenden Züge bereits kleinste Defekte und ordnen diese achsgenau dem entsprechenden Radsatzlager zu, bevor Heißläufer und andere Schäden entstehen. Unterstützt werden die Diagnoseverfahren von optischen Nummernerkennungssystemen oder RFID-Technologie, die eine eindeutige Zuordnung der Messdaten zu den Fahrzeugen und Fahrzeugkomponenten ermöglichen.
Wayside Monitoring Technologien
In anderen Ländern ist Wayside Monitoring bereits stark verbreitet und findet seit vielen Jahren Anwendung. Seinen Ursprung hat die streckengebundene Fahrzeugdiagnose im Bereich kritischer Infrastrukturen. Sie kommt überall dort zum Einsatz, wo ein Ausfall eines Fahrzeugs bzw. Zugs große wirtschaftliche oder prozessuale Folgen hätte. So werden z.B. in Kanada die Kohletransporte streng überwacht. Die Züge müssen in einer definierten Zeit ihren Ziel- und Entladebahnhof erreichen, da die geladene Kohle sonst so stark einfriert, dass sie nicht mehr aus den Waggons zu lösen ist. Ein Ausfall einer für das Weiterkommen relevanten Komponente und somit der Stillstand des Zuges hätte entsprechend schwerwiegende Folgen. Auch die Erz- und Kohleverkehre in Australien, die viele Hundert Kilometer Wüste zwischen Mine und Hafen durchfahren, werden lückenlos überwacht. Ein Ausfall auf einer dieser Strecken hätte fatale logistische Folgen. Aber nicht nur die Prävention steht hier im Fokus der Betreiber. Mit Hilfe der Diagnoseeinrichtungen konnten die fristbasierten Wartungsintervalle um den Faktor 8 gestreckt werden. Aufgrund der deutlichen Effekte auf die Instandhaltung und der vielen Vorteile gegenüber der Nachrüstung von On-Board-Sensorik, hat sich die streckengebundene Diagnose mittlerweile bei allen Verkehrsarten des Schienenverkehrs durchgesetzt. Weltweit kann auf ein breites Portfolio an Technologie und Technologieanbietern zurückgegriffen werden, die z.T. auf mehrere Jahrzehnte Erfahrung und
eine entsprechend ausgereifte Technologie zurückgreifen können. Die am häufigsten Anzutreffenden Anwendungsfälle zur streckengebundenen Diagnose und Erhebung von Fahrzeugzuständen im operativen Betrieb sind:
- Radkraftdiagnose: Messung von Flachstellen und Radgeometrieabweichungen sowie der Erfassung der Achslast
- Automatische Radsatz- und Bremsscheibenvermessung: Erfassung von Querprofilen und Bestimmung der exakten Messwerte
- Stromabnehmerdiagnose: Defektüberwachung und Bestimmung der Kohlestreifenrestlaufzeit
- Radsatzlagerdiagnose: Frühzeitige Detektion von innenliegenden Lagerschäden
- Videotore: Befundung und Dokumentation von Fahrzeugen sowie automatische Graffitierkennung
- Diagnose von Achsfehlstellungen: Erkennung von Abweichungen der Achsen von ihrer Soll-Position sowie Erkennung von Schlingern
Im Folgenden werden exemplarisch einige Technologien zu den oben genannten Anwendungsfälle näher beschrieben:
- Radkraftdiagnose
- Automatische Radsatzvermessung
- Bremsscheibendiagnose
- Stromabnehmerdiagnose
- Videotore / Videoinspektion
- Radsatzlagerdiagnose
- Achsfehlstellung




Eines der am aufwändigsten zu wartenden Bauteile eines Triebfahrzeugs ist der Stromabnehmer. Er ist schwer zugänglich und zu seiner Inspektion muss das Fahrzeug von der Oberleitung getrennt und das Personal vor der Oberleitung geschützt werden. Ein nicht nur zeitaufwändiger Vorgang. Nicht erkannte Defekte des Stromabnehmers ziehen im schlimmsten Fall einen Schaden an der Infrastruktur mit sich, der häufig kostspielige Folgen und eine massive Störung des Betriebsablaufs mit sich bringt. Gleichzeitig ist die mögliche Restnutzung der Schleifleisten für die Flotten- und Instandhaltungsplanung ein wichtiger Faktor. Seit einigen Jahren sind Kamerasysteme zur automatischen Inspektion der Stromabnehmer auf dem Vormarsch. Ursprünglich wurden sie entwickelt, um dem Infrastrukturbetreiber einen Überblick über den Zustand der Stromabnehmer der Infrastrukturnutzer zu geben und um potenzielle Gefährder rechtzeitig zum Schutz der Oberleitung aus dem Verkehr zu ziehen. Heute werden sie verstärkt vom Flottenmanagement genutzt, um wichtige Instandhaltungsinformationen und Restlaufzeiten zu ermitteln. Wie bei den meisten Wayside Monitoring Lösungen gibt es weltweit ein entsprechendes Portfolio an potenziellen Technologie-lieferanten. Einer der führenden Anbieter ist die Firma Camlin aus Irland.
Das System von Camlin (vgl. Abbildung) arbeitet mit einer Stereo-Kamera-Optik, die es ermöglicht, 3D-Objekte der aufgenommenen Stromabnehmer zu erstellen. Das System erkennt Abweichungen vom Standard, wie fehlende oder verbogene Teile sowie Ausrichtungs- und Symmetriefehler. Mit Hilfe von Lasern können die Maße der Stromabnehmer exakt ermittelt werden. Wie alle bildgebenden Wayside Monitoring Technologien arbeitet das System mit Licht, um auch nachts oder bei schlechten Witterungsverhältnissen hochauflösende Aufnahmen zu erstellen. Das effiziente LED-Blitzlicht ist dabei vom menschlichen Auge kaum wahrnehmbar. Auch der Anpressdruck der Pantographen an die Oberleitung kann mit Hilfe des durch den Stromabnehmer verursachten Anhubs ermittelt werden, so dass die Fahrzeuge für einen minimalen Verschleiß an Oberleitung und Schleifleiste eingestellt werden können. Das System zeigt Bilder, 3D-Modelle sowie millimetergenaue Messwerte. Zudem löst aus bei vordefinierten Überschreitungen von Grenzwerten Alarm aus.


Vorteile Wayside Monitoring
Wayside Monitoring Strategie
Fazit
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Benjamin Fröhling
Unternehmer, Berater und Umsetzer