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 „Wir wollen Forschung in Wert setzen“ – so soll das Acceleratorenprogramm BioBoosteRR nachhaltige Unternehmerschaft im Rheinischen Revier befördern

Doppelinterview mit Dr. Christian Klar und Benjamin Fröhling

Der Leiter der Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER Rheinland, Dr. Christian Klar und der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Compreneur, Benjamin Fröhling, sprechen im Interview über Chancen im Revier durch nachhaltiges, biobasiertes Wirtschaften nach dem Braunkohleausstieg. Gemeinsam betreiben sie das Accelerator-Programm BIOBoosteRR, das dabei unterstützt, Forschungsideen aus dem Themenfeld der Bioökonomie in tragfähige unternehmerische Aktivitäten in der Region zu überführen.

Herr Dr. Klar, was genau kann man sich unter dem Acceleratorprogramm BIOBoosteRR vorstellen?

Der BIOBoosteRR ist ein Förderprogramm im Themenfeld der Bioökonomie und richtet sich an Gründungswillige und Erfinder in der Region des Rheinischen Reviers. Es geht darum, Ideen aus der Forschung in funktionierende Geschäftsmodelle umzuwandeln. Unser Accelerator ist thematisch breit angelegt: er umfaßt alle Produkte, Dienstleistungen und Innovationen, die sich mit dem Spektrum der Bioökonomie beschäftigen. Das können biobasierte, nachhaltige Ideen rund um Pflanzen oder Mikroorganismen sein, die von uns unterstützt werden.

Fröhling: Aktuell befinden wir uns in der Pilotphase des Accelerators und treiben erste Ansätze voran. Wir sprechen mit Instituten und Forschern und sammeln Innovationen in Form von Steckbriefen. Danach arbeiten wir heraus, welche vermarktbaren Ideen dahinter stecken können. Andererseits sprechen wir mit dem Markt, also den Unternehmen in der Region, welche Bedarfe es hier gibt. Denn hinter jedem Bedarf steht immer eine Herausforderung, für die es gilt, wiederum mithilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse – idealerweise aus dem Portfolio des BIOBoosteRR – eine Verbesserung zu erzielen. Bringt man die Bedarfe mit den Ideen zusammen, kann daraus ein Geschäftsmodell werden. Langfristig soll der BIOBoosteRR ein rollierender Prozeß werden, eine Art „Innovationsmaschine“, die in der Region fest verankert ist. 

Der BIOBoosteRR ist nicht der einzige Accelerator in der Region - Was ist neu an diesem Gründungsprogramm?

Fröhling: Zunächst einmal ist der BIOBoosteRR eines der ersten Programme überhaupt im Themenfeld der Bioökonomie, und darüber hinaus regional verortet im Rheinischen Revier. Vom Ansatz her greift das Programm zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein und sucht aktiven Zugang zu Ideen aus der Wissenschaft. Hier weiß man zunächst noch nicht, ob diese auch wirtschaftlich umsetzbar sind. Andere Acceleratoren warten zumeist darauf, dass sich jemand bewirbt. Oft hat bereits jemand ein Start-up oder Unternehmen gegründet und wünscht sich dann selbst, mithilfe des Programms beschleunigt zu werden und Zugang zur Wirtschaft oder eine Finanzierung zu erhalten. Wir nehmen die Ideen auf, bewerten sie gemeinsam mit dem Ideengeber und treiben die weiteren Schritte aktiv über das Programm voran. Dies bedeutet, dass der Ideengeber durchaus Treiber seiner eigenen Idee im Rahmen des BIOBoosteRR sein kann, aber nicht muss – dies ist ebenfalls eine Besonderheit des Programms. Die Kombination des sehr frühen Ansatzes mit der aktiven Übernahme von Verantwortung durch den BIOBoosteRR macht das Programm zu etwas Einzigartigem.

Wie haben BIOBoosteRR und die Managementberatung Compreneur zueinander gefunden?

Klar: Auf der Suche nach einem geeigneten Partner für unseren Bioökonomie-Accelerator sind wir auf die Compreneur Managementberatung aus Köln gestoßen. Neben einer methodischen Beratung gibt es hier umfangreiche Erfahrungen mit Gründungen und Acceleratoren im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft, die im Grunde den Kern der Bioökonomie bilden. Der BIOBoosteRR baut auf den Ansätzen auf und erweitert das Themenspektrum um weitere Verwertungsoptionen in der Bioökonomie. Es gibt viele ganz unterschiedliche Ideen, wie man mit biologischen Ressourcen in nachhaltiger Weise Geld verdienen kann.

Fröhling: Unsere Philosophie ist Unternehmertum. Wir sind eigentlich keine klassische Beratung, sondern selbst Unternehmer. Wir machen Projekte, die unternehmerisch geprägt sind und gehen eigene Beteiligungen ein. Bei der Regionalwert AG – einer Bürger Aktiengesellschaft, die sich durch finanzielle Beteiligungen und ein regionales Partnernetzwerk für mehr regionale Biolandwirtschaft einsetzt – sind wir beispielsweise Gründungsaktionär und haben daher eine hohe Affinität zu Themen aus der Bioökonomie. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ist eigentlich ein gelernter Unternehmer, gelernt an der Praxis. Das ist die Philosophie.

Die Initiative BioökonomieREVIER, die vom Forschungszentrum in Jülich koordiniert wird, vernetzt Akteure in der Region. Welche Rolle haben BIOBoosteRR und Koordinierungsstelle bei der Verzahnung von Aktivitäten?

Klar: Die Philosophie der Inititative BioökonomieREVIER ist es, gemeinsam mit verschiedensten Akteuren vor Ort im Rheinischen Revier nachhaltiges, biobasiertes Wirtschaften voranzutreiben. Hierbei ist der BIOBoosteRR eines der Schlüsselinstrumente. Unser gemeinsames Ziel ist es, Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze in der Region durch Gründung oder Ausgründung auf Basis von wissenschaftlichen Ideen zu schaffen. In den BIOBoosteRR bringt die Koordinierungsstelle ihre breite fachliche Expertise der Bioökonomie-bezogenen Forschung und ihr regionales Akteursnetzwerk ein. Für den BIOBoosteRR reichen bereits einige Ideen von wenigen Akteuren aus, um damit gezielt unternehmerisch tätig zu werden und Dinge weiterentwickeln zu können.

Fröhling: Genau. Der BIOBoosteRR greift insbesondere die Ideen auf, die unternehmerisches Potenzial haben, daß heißt Erfolg versprechend sind, mit dem man die Menschen und Unternehmen begeistern kann.

Klar: Das Zusammenspiel ist wichtig, weil am Ende der Gesamtprozeß der Transformation hin zu nachhaltiger, biobasierter Wirtschaft steht. Hier sind verschiedene Akteure mit ihren jeweiligen Perspektiven beteiligt: wir haben die Wissenschaft, die Landwirtschaft, Kommunen, Start-ups, Bürger und Schüler. Sie alle können einen Beitrag leisten zum Thema Bioökonomie und Innovation.

Fröhling: Koordinierungsstelle und BIOBoosteRR bedienen unterschiedliche Teile des Prozesses. Erst wenn wir alles miteinander synchronisieren, kann echte, nachhaltige Innovation entstehen.

Wie kann nachhaltiges Wirtschaften jeweils aus der Position von Wissenschaft und Accelerator unterstützt werden?

Klar: Das Ziel der Forscher ist es, neue Dinge zu entdecken. Ist dies geschehen, ist das Forschungsprojekt in der Regel beendet. In einem neuen Projekt lassen sich die Dinge dann noch einmal tiefer oder aus einer anderen Perspektive heraus betrachten.

Fröhling: Aus der Sicht des BIOBoosteRR ist nach jedem Forschungsprozeß eine potentielle Idee da, die im Sinne einer neuen Geschäftsaktivität vermarktbar ist. Und während der Forscher dann mit neuen Fragestellungen ins Detail geht, sagt der BIOBoosteRR: „Laß uns erstmal das, was wir schon haben, anschauen und sehen, was davon wir an den Markt bringen können und für die Wirtschaft nutzbar machen“.

Herr Fröhling, der BIOBoosteRR befindet sich aktuell noch in einer frühen Phase. Zeichnen sich schon erste Unternehmensideen ab? Lassen sich Trends erkennen?

Es lassen sich aktuell drei Themenfelder identifizieren, in denen es akut einen Bedarf gibt und wo wir mit dem BIOBoosteRR schnell Lösungen bereitstellen können und werden. Das ist zum einen die Lebensmittelverarbeitung und die Verwertung der dort anfallenden Reststoffe – für den einen sind diese Abfall, für den anderen wertvoller Rohstoff. Wir gehen etwa der Frage nach, welche Lebensmittel noch essbar sind im Sinne der Kaskadennutzung. Eine solche Mehrfachnutzung ist häufig verbunden mit ökonomischen wie ökologischen Vorteilen für alle Beteiligten. Dann gibt es biologische Reststoffe – Biomasse – die nicht essbar sind, aber noch auf andere Weise weiterverwendet werden können. Hier möchte ich jetzt weniger auf das Thema Chemie eingehen. Vielmehr gibt es beispielsweise Möglichkeiten, biobasierte Reststoffe zu Verpackungsmitteln weiterzuverarbeiten. Drittens gibt es Firmen, bei denen zwar keine Reststoffe anfallen, die aber Potenzial für die Verwertungsmöglichkeiten von Reststoffen sehen oder ihren Betrieb im Sinne einer echten Nachhaltigkeit „bioökonomisieren“ wollen.

Kurz gesagt: Wir schauen uns aktuell sehr stark die Kaskadennutzung an: Wo fällt etwas ab, was für den Produzenten vermeintlich Abfall ist und oft teuer entsorgt werden muß? Denn für andere Prozesse kann dieser Abfall ein wertvoller Rohstoff sein. In jedem Unternehmen im Revier steckt somit viel Innovationspotenzial, das mit Hilfe von bioökonomischen Ansätzen geweckt werden kann. Nicht umsonst wird die Bioökonomie bereits als „Industrie 5.0“ bezeichnet.

Klar: Bei den potentiellen Ideen aus der Forschung fokussiert sich der BIOBoosteRR in der Pilotphase zunächst auf wenige Innovationen. Voraussetzung ist immer, dass es einen Markt gibt. Zukünftig sind jedoch jedes Labor, jedes forschende Institut und jede Hochschule eingeladen, sich aktiv zu beteiligen. Umgekehrt ergeben sich aus den Projekten, die im BIOBoosteRR weiterqualifiziert werden, oft Fragestellungen, die man wiederum in thematisch passende Forschungseinrichtungen zurückspiegeln kann. Dies können Fragen sein, die sich aus der wirtschaftlichen Praxis ergeben und die der Forschende oftmals gar nicht hatte. Diese lassen sich durch neue Forschungsprojekte lösen. Insofern ist der Prozeß eine gegenseitige Befruchtung. Das Prinzip des BIOBoosteRR ist, Ansätze der Forschung mit konkreten Herausforderungen der Unternehmen übereinander zu legen. Daraus entsteht ein neues Geschäftsmodell, das Anwendung findet im Markt.

Fröhling: Interessant ist, daß von den Ideen, die jetzt schon in der Pipeline sind, geschätzte 80 Prozent nicht in eine solche gekommen wären, wenn der BIOBoosteRR dort nicht aktiv vermittelt und sich als Treiber der Idee angeboten hätte. Das bestätigt uns in unserem Ansatz, bereits in einem sehr frühen Stadium der wissenschaftlichen Forschung anzusetzen. Das sind alles Rohdiamanten, mit denen sich die herkömmlichen Programme in der Form nicht beschäftigen.

Jedes Business hat seine Herausforderungen - wo liegt diese beim BIOBoosteRR?

Fröhling: Eine der beiden größten Herausforderungen ist das Thema Finanzierung. Der BIOBoosteRR setzt in einem sehr frühen Stadium an, Themen zu entwickeln. Es gibt dann noch keine Gesellschaft etc., bei der sich etwa ein Investor mit Eigenkapital beteiligen kann. Trotzdem muss viel – insbesondere Manpower – investiert werden. Eine weitere Hürde ist, einen geeigneten „Kümmerer“ zu finden. Der Ideengeber für die Innovation, zumeist ein Forschender, hängt oft an seinem Thema und möchte davon nicht loslassen. Gleichzeitig bedarf es eines unternehmerisch denkenden Treibers, der die Dinge voranbringt. In unserem Prozeß ist es daher immens wichtig, die Rollenverteilung bereits in einem sehr frühen Stadium zu klären und idealerweise Tandems zu finden. Der Ideengeber weiß dann genau, wann er loslassen kann und der Unternehmer, wann er vorantreiben darf. Schließlich braucht man geeignete Teams, um eine gute Innovation gemeinsam zum Erfolg zu führen.

Kommen wir zum Ausblick: wohin geht die Reise mit dem BIOBoosteRR in den nächsten Jahren?

Klar: Mit Nachhaltigkeit Wertschöpfung zu generieren, ist das Thema der Zeit. Für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen braucht man mehr Nachhaltigkeit und Regionalität ist dabei definitiv sinnvoll und erwünscht. Es gibt vielfältige technologische Konzepte, Reststoffe weiterzuverwerten und innovative, nachhaltige Produkte in den Markt zu bringen. Ich glaube definitiv, dass man, wenn die Idee gut genug ist und ein Markt dafür da ist, mit jeder Innovation Geld verdienen kann, vor allem im Themenfeld der nachhaltigen Bioökonomie.

Fröhling: Innovation und Nachhaltigkeit gehen hier Hand in Hand. Nicht nur die Ideengeber sollen profitieren, insbesondere die Unternehmen können mit bioökonomischen Ansätzen auf ein neues, zeitgemäßes Level gehoben werden. Unser Ziel ist es daher, den BIOBoosteRR langfristig als intrinsisch motivierte Organisation im Rheinischen Revier zu installieren. Er soll aus sich selbst heraus getrieben Innovation aus der Wissenschaft in vermarktbare Geschäftsideen umwandeln. Die Organisation wollen wir so aufbauen, dass sie selbst Interesse daran hat, die Themen nach vorne zu bringen.

Das Interview führte Anke Krüger.

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